„ES GEHT UNS IM GRUNDE GENOMMEN DARUM, DAS MUSIZIEREN LEICHT ZU MACHEN“ – ALEKSEY IGUDESMAN (MUSIC TRAVELER) IM MICA-INTERVIEW
19. März 2018
Viele Musikerinnen und Musiker kennen das Problem vermutlich: Man ist unterwegs, reist von einem Ort zum nächsten, muss üben oder sich professionell auf ein Konzert vorbereiten und hat in der fremden Stadt Schwierigkeiten damit, eine geeigneten und finanzierbaren Proberaum dafür zu finden. Die im Herbst des vergangenen Jahres gelaunchte Seite MUSIC TRAVELER versucht, diesbezüglich Abhilfe zu leisten. Eine Plattform, die sich auf der Suche befindliche Musikerinnen und Musiker mit Musikliebhaberinnen und -liebhabern, die ein Instrument bei sich zu Hause stehen haben und dieses samt Raum für Proben zur Verfügung gerne zur Verfügung stellen, zusammenbringt. Der Musiker und Mitbegründer von MUSIC TRAVELER, ALEKSEY IGUDESMAN, sprach mit Michael Ternai.
Music Traveler gibt es seit dem Herbst 2017.
Aleksey Igudesman: Ja. Gestartet haben wird die Seite nach einigen Monaten Testphase im Oktober. Mit einer großen Pressekonferenz, bei der unter anderem der amerikanische Schauspieler John Malkovich dabei war.
Wie kam Ihnen die Idee zu Music Traveler? Waren es die eigenen Erfahrungen?
Aleksey Igudesman: Natürlich spielten eigene Erfahrungen auch eine Rolle. Aber es waren auch diverse Erlebnisse mit einigen Damen, mit denen ich in der Vergangenheit zusammen war. Die standen, wann immer sie irgendwo Urlaub machen wollten, immer vor dem Problem, dass sie, wenn sie auch in dieser Zeit proben wollten oder mussten, gezwungen waren, ihr Instrument mitzunehmen. Das war in der Regel mühsam oder schlichtweg unmöglich. Ein Klavier oder andere große Instrumente mit in den Urlaub zu nehmen, geht einfach nicht. Ich habe dann begonnen zu recherchieren, ob man an diesen Orten nicht vielleicht doch irgendwo schnell diese Instrumente auftreiben könnte, was sich aber vor allem in kleineren Orten als fast unmöglich oder sehr kompliziert dargestellt hat. Gleichzeitig habe ich mich an meine Studienzeit erinnert und daran, wie schwierig es war, geeignete Probenzimmer zu bekommen. Das war eigentlich der Ansporn. Meine erste Idee war, irgendetwas über Facebook zu machen. Ich merkte aber nach kurzer Zeit, dass es sich eigentlich hier um ein globales Ding handelt, dass dieses Problem Musikerinnen und Musiker, Bands und Ensembles aller Länder gleichermaßen betrifft.
Music Traveler ist auch eine Plattform, die nicht nur ausschließlich von Musikerinnen und Musikern genutzt werden kann, sondern auch von Musikliebhaberinnen und -liebhabern, die ein Instrument spielen wollen und einen geeigneten Ort dafür suchen.
Aleksey Igudesman: Genau. Ich bin im Rahmen meiner Recherchen dann auch draufgekommen, dass auch sehr viele Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber gerne immer wieder musizieren würden und nur nicht wissen, wo sie es tun könnten. Es passiert ja immer wieder, dass jemand zwischen seinen Terminen einmal ein Stündchen Zeit hat und diese Zeit nicht irgendwo in einem Kaffeehaus oder sonst wo totschlagen möchte. Music Traveler bietet ihnen die Möglichkeit, schnell, günstig und unkompliziert zu einem Zimmer zu kommen, indem sie musizieren und sich an einem Instrument versuchen können. Der zweite Punkt ist, dass hierzulande, vor allem auch in Wien, in vielen Haushalten Instrumente stehen, die oft nicht genutzt werden. Über Music Traveler können die Leute diese ganz leicht zum Proben zur Verfügung stellen und die Räume für eine gewisse Zeit vermieten. Es geht uns im Grunde genommen darum, das Musizieren leicht zu machen.
Wirft man einen Blick auf die Music-Traveler-Seite, wirkt sie im ersten Moment ein wenig wie jene von Airbnb.
Aleksey Igudesman: Es geht ein wenig in diese Richtung. Wir wollten etwas entwickeln, was sich bekannt anfühlt, ohne dabei etwas zu kopieren. Die Seite sollte den Leuten vertraut sein, sie sollten sofort wissen, wie man sie bedient. Es geht hier primär um das Praktische. Wie kann ich schnell und einfach ein Zimmer bekommen, in dem ich als Musikerin bzw. Musiker oder Musikliebhaberin bzw. Musikliebhaber proben und üben kann.
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„ICH HABE ES IMMER EXTREM ANGENEHM EMPFUNDEN, WENN ICH MUSIKERINNEN UND MUSIKER BEI MIR ZU BESUCH HATTE.“
Ich nehme an, dass es in Wien nicht das große Problem ist, Zimmer oder Räume in größerer Zahl zu finden. Auf dem Land stellt sich die Situation vermutlich nicht so einfach dar?
Aleksey Igudesman: Ja, das stimmt. In Wien ist es einfacher. Wir haben mittlerweile hundert Zimmer, die angeboten werden. Und die Zahl wächst konstant. In anderen Orten, vor allem am Land, sind wir natürlich noch nicht so weit. Aber bei Airbnb war es ja auch nicht anders. Die haben auch mit ein paar Zimmern angefangen. Es ist nur eine Frage des Wachstums. Und dafür müssen wir bekannter werden. Ich denke, wenn uns das gelingt, werden auch die Leute kommen.
Ich glaube auch, dass es für viele Leute nett ist, wenn eine Musikerin oder ein Musiker bei ihnen zu Hause einmal vorbeikommt und auf dem Instrument spielt. Natürlich denkt man sich zunächst einmal: „Na ja, da hat man jetzt plötzlich ein paar Fremde im Haus.“ Aber auch ich habe mittlerweile einige Erfahrungen sammeln können. Und die waren ausschließlich positiv. Ich habe es immer extrem angenehm empfunden, wenn ich Musikerinnen und Musiker bei mir zu Besuch hatte. Einige von diesen waren auch wahnsinnig talentiert.
Das Schöne an Music Traveler ist, dass man auf der einen Seite Host sein kann und auf der anderen Seite selbst suchen und etwas buchen kann. Was uns von Anfang an sehr wichtig war, war, das Service so sicher wie möglich anzubieten. Sollte es zu einem Schadensfall kommen, ist ein jedes Instrument bis zu 100.000 Euro und ein Privatgegenstand bis zu 2000 Euro versichert.
Über Music Traveler kann man aber auch unkompliziert und schnell Studios buchen.
Aleksey Igudesman: Genau. Wir haben mittlerweile auch ein paar sehr gute Studios, bei denen man buchen kann. Und wir arbeiten gerade daran, dass es mehr werden. Das dauert natürlich. Aber ich bin da sehr zuversichtlich. Viele sagen ja, Music Traveler wäre eine Art Airbnb für Musikerinnen und Musiker. Ich würde eher sagen, es ist eine Mischung aus Airbnb und Booking.com, wo man etwas kostengünstig und schnell buchen will. Auf Music Traveler findet man daher private Räume, die man sonst nicht findet, aber auch Studios, die man bei Bedarf schnell buchen kann.
Aleksey Igudesman & Julia Rhee (c) Dominik Joelsohn /Music Traveler
Ich denke, die Realisierung einer solchen Seite lässt sich allein nicht bewerkstelligen. Wie sieht Ihr Team aus, wer sind Ihre Partnerinnen und Partner?
Aleksey Igudesman: Ich habe in der Tat ein sehr tolles Team im Rücken. Allen voran Co-Founderin Julia Rhee. Sie ist wirklich eine ganz tolle Frau. Sie hat einst in Wien und Paris Klavier studiert und ist dann aber nach New York gegangen, um dort Wirtschaft zu studieren. Heute ist sie eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die schon mehrere Firmen aufgebaut hat. Ich habe sie damals während meines Studiums kennengelernt und sie ist bis heute eine sehr gute Freundin geblieben. Ich habe mit ihr über meine Idee gesprochen und sie meinte, dass diese genau die Idee sei, auf die sie eigentlich gewartet habe. Nämlich auf ein Projekt, das ihre alte Welt, die Musik, mit ihrer neuen, der Wirtschaft, kombiniert. Sie hat wirklich geholfen, Music Traveler aufzubauen.
Das Kernteam von Music Traveler ist in Wien angesiedelt. Zu dem gehören unter anderen Dominik Joelsohn, der hier die ganzen Operations betreut, und natürlich mehrere andere Personen, die für verschiedene andere Aufgaben zuständig sind.
Darüber hinaus haben wir mehrere Kooperationen, wie etwa mit den Musikuniversitäten der Stadt. Die haben uns die Möglichkeit gegeben, Musik Traveler zu bewerben und zu präsentieren. Und natürlich sind wir dahinter, den im Kontakt mit den vielen Musikschulen des Landes herzustellen.
„WIR KONNTEN WIRKLICH EINIGE SEHR RENOMMIERTE PERSONEN FÜR UNSERE IDEE BEGEISTERN […]“
Wie haben Sie Music Traveler finanziert? Wer hat Sie unterstützt?
Aleksey Igudesman: Ganz großen Dank muss man der Wiener Wirtschaftsagentur aussprechen. Die war vom Potenzial von Music Traveler von Beginn an überzeugt. Deren Förderung funktioniert ja so, dass man vorweisen muss, dass man die Hälfte des Geldes, das man braucht, durch Investorinnen und Investoren hereinbekommt. Und das haben wir geschafft. Wir konnten wirklich einige sehr renommierte Personen für unsere Idee begeistern und sie als Ambassadors gewinnen. Der weltweit bekannte Filmmusikkomponist Hans Zimmer zum Beispiel ist einer der Investoren. Andere sind der Schauspieler John Malkovich, der Musiker Billy Joel, der Pianist Emmanuel Ax, die chinesische Pianistin Yuja Wang und der langjährige Vorstand der Wiener Philharmoniker Clemens Hellsberg.
Das Schöne vonseiten der Wirtschaftsagentur Wien war auch, dass sie uns nicht nur mit Geld unterstützt hat, sondern uns auch die Möglichkeit gegeben hat, Music Traveler weltweit zu präsentieren. Wir konnten uns unter anderem bei der im Rahmen des SXSW-Festivals stattfindenden Start-up-Konferenz vorstellen. Auch in vielen anderen Belangen hat uns die Wiener Wirtschaftsagentur unterstützt.
Music Traveler Pressekonferenz mit John Malkovich (c) Dominik Joelsohn / Music Traveler
Wie sehen, nachdem der Start erfolgreich verlaufen ist, die nächsten Schritte aus?
Aleksey Igudesman: Wir wollen jetzt auf jeden Fall expandieren und planen, im Juni offiziell auch in Deutschland und in der Schweiz den größeren Städten zu launchen. Und natürlich geht es auch darum, hier in Österreich – in Linz, in Salzburg, in Graz und in den anderen Städten – das Angebot zu verbreitern. Dazu müssen natürlich weiterhin Gelder lukriert werden.
Darüber hinaus haben wir uns jetzt ein neues, frisches, junges und inspiriertes Tech-Team aufgestellt, weil wir gemerkt haben, dass es noch sehr viele Möglichkeiten gibt, das Service besser zu gestalten. Wir wollen die Webseite noch umfangreicher machen und noch weitere Features anbieten. Unser Plan ist, dass man in der Zukunft bei uns zum Beispiel auch ein Klavier kaufen beziehungsweise leasen kann. Wir haben ja eine Partnerschaft mit Steinway.
Ich werde in diesem Jahr auch in Asien sein, wo ich einige Treffen haben werden. Unter anderem in Singapur. Dort kommt einer unserer Investoren her, der hier in Wien auch die Amadeus International School betreibt. Ich und auch die Investoren denken, Singapur wäre für Asien vielleicht ein guter Startpunkt für Music Traveler, da es – ähnlich wie Österreich – von der Bevölkerungszahl her überschaubar ist. Und dann versuchen wir natürlich, auch in London, Paris und New York Fuß zu fassen. Es wird auf jeden Fall sehr spannend.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Michael Ternai
Original Article
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